Das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien ist am Montag zu Ende gegangen. Es ist formal gescheitert und hat trotzdem seine wichtigsten Ziele erreicht.
von Dieter Ratz
Die 100.000 Unterschriften die für eine parlamentarische Bearbeitung notwendig gewesen wären, wurden – für viele erwartungsgemäß – nicht erreicht. Das ist vor allem deswegen enttäuschend weil mehr Unterschriften auch eine größere Reichweite des Themas und eine größere Bereitschaft zu kirchenkritischem Engagement signalisiert hätten. Die parlamentarische Bearbeitung selbst ist eine Formsache und wäre wohl in einer Größenordnung von Minuten bemessen worden.
Die geringe Beteiligung, von der auch das mit prominenten Gesichtern wie Voggenhuber und Busek beworbene, und zeitgleich abgehaltene, Volksbegehren „Demokratie Jetzt!“ betroffen war, ist auch deswegen bitter, weil sie den Kirchen und der ÖVP ein Killerargument für die Debatte zum Rückbau der kirchlichen Privilegien in die Hand gegeben hat, von dessen zukünftigem Gebrauch wir ausgehen können.
Aber was zeigt eine geringe Beteiligung an einem Volksbegehren an? Sie ist jedenfalls keine repräsentative Umfrage über die Zustimmung der Bevölkerung zu bestimmten politischen Positionen. Im Grunde zeigt ein Volksbegehren die Mobilisierungsfähigkeit der Initiatoren für einen hochschwelligen Akt der direkten Demokratie. Diese Hochschwelligkeit ist nicht zufällig. Die Begehrlichkeit des Volkes soll durch Hürden wie die direkte Unterschrift am Bezirks- oder Gemeindeamt oder die Beschränkung der Eintragungsmöglichkeit auf eine Woche in Grenzen gehalten werden. Dass das nicht unbedingt notwendig ist zeigt auch der Modus der Europäischen Bürgerinitiative wo die Eintragung online erfolgen kann.
Als Indikator für die langfristige Relevanz eines Themas scheint ein Volksbegehren ebenso wenig brauchbar. Der Inhalt des von der ÖVP als Wahlkampfinstrument initiierten Volksbegehrens zur „Erlassung eines Konferenzzentrum-Einsparungsgesetzes“ von 1982 ist heute weitgehend unbekannt. Es war mit 1,36 Mio. Unterschriften das erfolgreichste Volksbegehren überhaupt. Unterstützt und durchgeführt wurde es von allen Landesparteien der ÖVP. Es richtete sich gegen den Bau des Austria Center in Wien. Das Austria Center wurde bekanntlich dennoch gebaut und ist heute ein wichtiger Teil der Wiener Kongresslandschaft.
Das Kirchenprivilegien Volksbegehren dagegen war ohne Unterstützung durch Parlamentsparteien, größere Zeitungen oder politische Verbände angetreten. Es konnte weder auf relevante finanzielle Zuwendungen zurückgreifen noch war es möglich auf den fahrenden Zug eines bereits vorhandenen medialen Hypes aufzuspringen, wie das bei den Volksbegehren gegen die Abfangjäger oder gegen das Kernkraftwerk Temelín der Fall war.
Schlussendlich entscheiden vor allem die finanzielle Ausstattung der Initiatoren und die Haltung von Medien und Politik ob Volksbegehren Erfolg haben oder nicht. Umgesetzt wurden die Forderungen der wenigsten Volksbegehren. Das Kirchenprivilegien Volksbegehren war hier offenbar ein zu heißes Eisen von dem am Ende auch SPÖ und Grüne ihre Finger lassen wollten. Vor allem in Westösterreich und in ländlichen, ÖVP-dominierten Gegenden war auch die Angst vor persönlichen Nachteilen ein Thema. Dokumentiert ist dies durch Korrespondenz der InitiatorInnen mit UnterstützerInnen, die bedauerten am Volksbegehren aus derartigen Gründen nicht teilnehmen zu können.
Seitens der Kirchen, allen voran der katholischen, wollte man die Initiative zu Beginn überhaupt totschweigen. Am Ende war man doch gezwungen zu reagieren. Wie für eine mit Steuergeld wohlgenährte Organisation zu erwarten, war man nicht nur im Internet und im Rundfunk aktiv, auch mehrere Hunderttausend Folder wurden gedruckt und eine Initiative „Pro Religion“ ins Leben gerufen , an der sich – zum ersten Mal überhaupt – alle anerkannten Kirchen, von den Buddhisten bis zu den Zeugen Jehovas zur Verteidigung ihrer Privilegien zusammen gefunden hatten. Alleine schon diese massiven Reaktionen zeigen, dass das Volksbegehren eines seiner Ziele erreicht hat. Es war den Privilegierten ein Dorn im Auge, das Thema ist nicht mehr zu ignorieren.
Und darin liegt der Erfolg des Volksbegehrens: Es hat zum ersten Mal das Thema in Österreich angesprochen. Es ist gelungen sowohl die Kirchen als auch VertreterInnen der Parteien zu Stellungnahmen zu veranlassen. Dass die Stellungnahmen der Politik teilweise ablehnenden aber vor allem zurückhaltend ausgefallen sind, zeigt zum einen den Opportunismus mit dem auch die „linken“ Parlamentsparteien um ihre konservativen WechselwählerInnen rittern, andererseits illustriert es die Selbstverständlichkeit mit der die Verflechtungen von Kirche, Staat und Politik in Österreich hingenommen werden. Vielen erscheinen die ungeheuerlichen Privilegien der Kirchen vor dem Hintergrund jahrzehntelanger „Tradition“ schlicht und einfach als Normalität. Eine Normalität die das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien erstmals ernsthaft in Frage gestellt hat. Mit dem Schlagwort der „Kirchenprivilegien“ wurde darüber hinaus ein Begriff geprägt, der die Laizismusdefizite in Österreich auch sprachlich zusammenfasst.
Das Thema Missbrauch, das die Kirche lieber wieder in den Karteischränken der Täterschützer hätte verschwinden lassen wollen, wurde in die Öffentlichkeit gezerrt. Auch hier liegt der Erfolg in der Debatte selbst. Das weiter darüber gesprochen wird ist Genugtuung für die Opfer und greift die Kultur des Schweigens an in der die Täter agierten und immer noch agieren.
Das Volksbegehren ist somit nicht das Ende der Debatte über Laizismus in Österreich. Es war der bisherige Höhepunkt aber kein Endpunkt der Bemühungen um eine Trennung von Staat und Kirche. Es ist als erster Versuch zu verstehen, als erster Tabubruch, und der erste Schritt ist oft der schwerste.
Das „Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien“ hat 56.660 UnterzeichnerInnen gefunden. Knapp über zwei Promille davon würden der „Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich“ (ARG) bereits reichen, um dem Kultusamt die gesetzlich geforderten 300 Mitglieder nachweisen zu können (derzeit hat die ARG 174 Mitglieder). Die ARG hat rechtlich betrachtet beste Chancen, eine nachhaltige Gleichberechtigung mit staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften spätestens im Rechtsmittelweg zu erreichen. Das Religionsrecht selbst wird vermutlich nicht so rasch geändert werden. Die ARG bietet inhaltlich betrachtet eine ernsthafte Alternative im religiösen Diskurs. Nach der angestrebten Anerkennung durch das Kultusamt wäre sie eine wirkungsvolle Kontrastfolie innerhalb vor dem Staat gleichwertiger religiöser Bekenntnisse. Unsere KritikerInnen laden wir herzlich ein, die http://www.atheistische-religionsgesellschaft.at genauer zu betrachten und in persönlichen Gesprächen mit uns die inhaltliche Tiefe und das Potenzial unserer Initiative kennen zu lernen.